„Licht ist Kommunikation“

Herr von Kardorff, wie ist bei Ihnen gerade die Lichtsituation?

Volker von Kardorff (Profil)
Volker von Kardorff

Von Kardorff: Gott sei Dank haben wir sehr viel Tageslicht im Büro. Kunstlicht macht schneller müde, da für die innere Uhr die natürliche Lichtfarbe und -intensität notwendig sind. Morgens steigert das natürliche Licht unsere Leistungsfähigkeit, abends fahren wir runter, wenn es dunkler und die Lichtfarbe wärmer wird. Moderne Lichtkonzepte sollten daher diese natürlichen Lichtverläufe berücksichtigen.

„Licht ist Kommunikation“ – ein Satz von Ihnen. Wie meinen Sie das?

Ein Beispiel: Wieso fühlt es sich anders an, wenn Sie ins Mittelklasse-Schmuckgeschäft kommen als zum Edeljuwelier? Weil das ganze Interior anders aussieht, und das liegt nicht zuletzt daran, dass es anders beleuchtet wird. Die Lichtstimmung spricht zu Ihnen: Beim Edeljuwelier werden Sie keinen Ring für 85 Euro finden.

Auch die vielen CoWorking-Flächen arbeiten stark mit narrativem Licht. Sie nutzen es, gemeinsam mit anderen Elementen, um nicht wie herkömmliche Büros auszusehen. Das ist Kommunikation. Kommunikation über typologisch gezielt eingesetztes Licht in Stimmung und Leuchtendesign.

Von welchem Gebäude können Unternehmen etwas lernen, wenn wir über Lichtarchitektur sprechen?

Von modernen Hotels, deren Lobby erst Rezeption, dann Frühstücksraum und am Abend Bar oder Lounge ist. Das funktioniert, weil für jede Funktion ein anderes Lichtkonzept bereit steht. Das Licht wird zum Werkzeug, den Raum ständig zu verändern und ihn an die aktuellen Bedürfnisse der Gäste und der Nutzung anzupassen.

Sie haben mal gesagt: „Die Zukunft der Gebäude beginnt bei der Beleuchtung, die Leuchte spricht und hört zu.” Klingt spannend, aber auch nach Big Brother, oder?

Die Leuchte hat schon immer Ihren Befehlen „zugehört“: an, aus, heller, dunkler. Technisch aufgerüstet, kann sie die Umgebung nicht nur beleuchten, sondern auch beobachten. Sie sammelt Daten, hinterfragt die Sinnfälligkeit von Helligkeit. Etwa, indem sie sich eigenständig dimmt, wenn es heller wird. Wir delegieren Gebäudesteuerung an die Leuchte und lassen sie eigenständig agieren.

Der nächste Schritt ist, dass die Leuchte mehr Daten aufnimmt und noch besser reagieren kann – weil sie zum Beispiel über vorgeschaltete Sensoren feststellt, wann ein Raum genutzt wird oder das Raumklima sich verändert hat.
Diese große Menge an zu generierenden Daten ist der Grund, warum die Beleuchtung so zentral ist für die Gebäudesteuerung. Dazu kommt, dass die Leuchten die dichteste elektrische Infrastruktur ist. Leuchten finden Sie überall: im WC, im Treppenhaus, an der Fassade an der Straße und auch Plätzen.

Eines der berühmtesten Gebäude auf Volker von Kardorffs Liste erfolgreicher Lichtprojekte: Das Brandenburger Tor in Berlin

Welche weiteren Anwendungen smarter Lichttechnologie gibt es?

Sie kann ein Mittel sein gegen zunehmende Knappheit von Gewerbeflächen: Die Städte sind voll. Also ist die Frage: Kann ich in einem Gebäude 60 statt 40 Menschen unterbringen? Das erspart Baumaßnahmen. Wenn die Technologie sagt, welcher Raum gerade frei ist oder erwartbar montags immer belegt sein wird, kann ich Kapazitäten besser planen. Mitarbeiter müssen dann nicht mehr durch die Gänge laufen auf der Suche nach einem freien Besprechungsraum.

Wie viel Prozent effizienter können Gebäude werden, wenn sie intelligente Lichtsteuerung nutzen?

Es gibt Flächen, die zu mehr als 40 Prozent unter ihrem Potential liegen. Der größte Hebel ist, dass intelligente Lichtsteuerung Mitarbeiter leistungsfähiger macht – durch Technologie-Unterstützung und angemessene Lösungen.

Wie viele Bürogebäude sind heute schon mit einer zeitgemäßen, klugen oder modernen Lichtarchitektur ausgestattet?

Kaum eines. Was mich verwundert, denn auf Licht entfallen nur drei bis fünf Prozent der Bausumme. Die Mehrkosten smarter Lichttechnologie erhöhen das Leuchtenbudget vielleicht um ein Viertel – bei der Gesamtsumme des Gebäudes und der Verbesserung des Nutzens eine geringe Investition.

Gibt es neben der Gebäudeeffizienz andere Trends, die Sie bei der Lichtarchitektur im Office-Bereich für die nächsten Jahre sehen?

Im Kampf um die besten Leute muss sich ablesbar die Qualität der Arbeitswelten steigern. Noch zu wenige Firmen gehen die Herausforderung konsequent an. Glücklicherweise arbeiten wir für ehrgeizige Bauherrn und Nutzer, die beispielhaft agieren und deren Beleuchtung ein Indikator dafür ist.

Herr von Kardorff, letzte Frage: Für welches Gebäude würden Sie gern das Lichtdesign entwerfen?

Für ein autonom fahrendes Auto. Als Arbeitsplatz der Zukunft ist es in gewisser Weise auch eine Art Gebäude – eine neue Typologie entsteht.